Ja, genau das wollen wir unseren Asylbewerbern sagen und sie auch entsprechend in unserer Mitte aufnehmen.
Allerdings gibt es unterschiedliche Empfehlungen: Auf der einen Seite soll man sich um die Integration bemühen. Auf der anderen Seite soll man – laut Landratsamtsempfehlung – keine Freundschaften mit den Asylbewerbern schließen, weil sie ggf. abgeschoben werden in ihre Heimat! Super, da muss man schon eiskalt sein!

Unsere Asylbewerber aus Nigeria haben ihre Heimat verloren. Die Islamisten-Gruppe Boko Haram hat sie aus ihren Wohnungen bzw. Häusern vertrieben. Sie sind geflüchtet, um ihr Leben zu retten. Sie haben alles zurückgelassen und sich auf einen Weg in das Ungewisse gemacht …
Nach einem langen Irrweg sind sie letztlich hier bei uns in Wörthsee angekommen. Einige waren Wochen, Monate bzw. Jahre unterwegs durch die Wüste, dann über Mazedonien, Ungarn oder Rumänien, andere per Schiff via Malta bzw. Italien. Zwei unserer Asylbewerberinnen haben ihre Kinder hier in Deutschland zur Welt gebracht. Einige unserer Asylbewerber haben auf der Flucht ihre Geschwister oder Eltern verloren, diese wurden einfach vor ihren Augen erschossen. Das muss man erst einmal verarbeiten.

Schließlich kommen sie in ein Land, dessen Sitten und Gebräuche sie nicht kennen und dessen Sprache ihnen völlig fremd ist – unsere Asylbewerber sprechen einen Mix aus Englisch, Spanisch, Italienisch und – sie sprechen natürlich ihren jeweiligen Heimatdialekt. In Nigeria gibt es außer der Amtssprache Englisch 514 verschiedene Sprachen, daher können unsere Asylbewerber miteinander meist gar nicht in ihrer Heimatsprache kommunizieren.
Natürlich macht ihnen auch das Wetter zu schaffen. Sie wissen nicht, was Winter oder Kälte ist, geschweige denn Schnee!

In Wörthsee haben wir derzeit 20 Asylbewerber – alle untergebracht im Alten Rathaus in der Hauptstraße 8 in Steinebach. Eine Gruppe von 11 Personen kam kurz vor Ostern zu uns – eine weitere Gruppe von 9 Personen kam dann Anfang August.
Ich stelle sie kurz vor:
• Elizabeth mit 4 Kindern: Sharon (geb. 2004), Charity (geb. 2008) und die Zwillinge Sarah und Guidion (geb. 22.12.2010)
• Familie Anita und Festus mit Baby Beyonce (geb. 09.02.2014 in München)
• Familie Faith und Evans mit Baby Emanuella (geb. 30.10.2013)
• Familie Evelyn und Opke mit den Kindern Favour (geb. 10.02.2011) und der frühgeborenen Fidelia (geb. 07.08.2014 in München).
• die Jungs Tony, Evans und Samuel (geb. 1994) sowie Felix (geb. 1980) und Frank (geb. 1985)

Als sie hier in Wörthsee einquartiert wurden, fehlte es zunächst an einfachen Dingen wie Toilettenpapier, Putz- und Waschmitteln, Windeln für die Babys und auch an Lebensmitteln. Ich habe in einer jeweils ersten Tour den Asylbewerbern gezeigt, wo der Supermarkt, die Apotheke, der Kindergarten und auch die Kirche ist.

Die Unterkünfte sind äußerst einfach ausgestattet mit Betten und einem kleinen Metall-Schrank je Zimmer. In einige Zimmer wurden zwar Fernseher gestellt, aber ohne Antennenanschluss …
Für die 14 Bewohner der ehemaligen Arztpraxis im Erdgeschoss gab es wochenlang Probleme mit den Herdplatten. Kochen war kaum möglich, weil die Sicherung ständig rausgeflogen ist. Sie hatten die Wahl zwischen Waschmaschine oder Kochen auf einer einzelnen Herdplatte, ggf. ohne Licht.

Sie haben eine gemeinsame Küche, ein Gemeinschaftsbadezimmer und eine extra Toilette. Die Wäsche hatten sie bis vor Kurzem vor der Tür getrocknet, weil die feuchte Wäsche in den Zimmern zu vermehrter Schimmelbildung (Schimmel hat sich dort sowieso bereits gebildet) geführt hätte. Aus Gesundheitsgründen hat man seitens der Gemeinde mithilfe von Spendengeldern einen Wäschetrockner angeschafft.
Unsere Asylbewerber leben mit mehreren Personen in einem Zimmer. Evelyn, Opke, Favour und Fidelity müssen all ihre Sachen auf 15 m² unterbringen. Alle sparen am Essen – Elizabeth kauft zum Beispiel nur Suppenhühner für 0,99 EUR! Einige haben monatelang so viel gespart, dass sie sich Smartphones kaufen konnten – für sie der Draht nach Hause. So haben sie die Möglichkeit, mit ihren Familien und Freunden in der Heimat Kontakt zu halten.

Wir Asylhelfer schlagen uns täglich mit einer unglaublichen Bürokratie herum! Leider sind unsere nigerianischen Mitbewohner nicht in bester physischer Verfassung: Tony musste in den ersten Wochen nach seiner Ankunft in Großhadern am Bein operiert werden und lief wochenlang nur auf Krücken herum. Opke hat eine Ohren-Operation hinter sich, Elizabeth leidet unter wahnsinnigen Rückenschmerzen.
Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist in ihrem Umfang gegenüber normalen Kassenleistungen stark eingeschränkt. Es werden nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz grundsätzlich nur die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände notwendigen Kosten übernommen. Somit besteht kein Anspruch auf eine optimale und bestmögliche Versorgung.

Für jede Arztbehandlung benötigt man eine Kostenübernahmebestätigung vom Sozialamt – diese ist nur für einen Tag gültig, ggf. mittlerweile auch einen Monat – das ist Verhandlungsgeschick der Ärzte, die leider nicht immer erfreut sind, wenn wir kommen. Die Kinder müssen selbstverständlich zu den nötigen Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen wie alle Kinder bei uns. Ein Dank geht an die Kinderärzte in Herrsching (Dr. Hoegen, Dr.Matz und Dr. Severin und die Damen im Büro/Empfang) – eine bessere und liebevollere Betreuung kann man sich nicht wünschen!
Die Katholische Kirche hat unkompliziert sofort Plätze im Kindergarten bereitgestellt (3 Plätze), ebenso der Lebenshilfe-Kindergarten (1 Platz). Die Kosten übernimmt das Jugendamt nach Antragstellung.
Elizabeths Tochter Sharon geht in eine Integrationsklasse in die Gilchinger Mittelschule mit intensivem Deutsch-Unterricht. Mit den Kindern von Elizabeth kann man sich mittlerweile schon gut auf Deutsch unterhalten!
Festus und Evans gehen in die Volkshochschule in Starnberg, Tony geht in die Berufsschule in Starnberg und Samuel in die Schlauschule in München.
Dank einer besonderen Initiative haben wir einen Deutsch-Unterricht für Anfänger und Fortgeschrittene etabliert. Vielen Dank an dieser Stelle an die unermüdlichen und geduldigen Lehrerinnen und Nachhilfelehrerinnen!
Zwei unserer Jungs spielen aktiv in unserem Fußballclub SC Wörthsee, die Kinder von Elizabeth gehen seit drei Wochen in den Ballkindergarten bzw. die Handballgruppe. Für die Kids mussten erst einmal Hallenturnschuhe besorgt werden. Vielen Dank an den Sportverein, an Herbert Gerber und sein Team!

Informationen zum Asylverfahren

  • Nach ihrer Aufnahme in den Erstaufnahmeeinrichtungen, z.B. in München, werden Asylbewerber auf die verschiedenen Landkreise aufgeteilt und erhalten eine sogenannte Aufenthaltsgestattung für drei Monate. Diese Aufenthaltsgestattung wird zunächst problemlos verlängert, auf bis zu 15 Monate
  • In dieser Zeit entscheidet dann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den Asylantrag, d.h. entweder Bleiberecht in Deutschland oder Abschiebung in das EU-Land, dass sie zuerst betreten haben oder schlimmstenfalls in die Heimat.
  • Mittlerweile gibt es eine Broschüre vom Landratsamt Starnberg mit den wichtigsten Kontaktadressen bzw. auch Informationen zu den Asylverfahren unter www.lk-starnberg.de/asyl
  • Die Landkreise handhaben die Zuwendungen unterschiedlich. In München gibt es eine München bzw. Isar-Card für den MVV, in Starnberg leider nicht.
  • Unsere Asylbewerber hatten anfangs nur Aufenthaltsrecht im Landkreis Starnberg. Um mit der S-Bahn von Wörthsee nach Starnberg zu kommen, muss man aber über Pasing, also München fahren! Die sog. Residenzpflicht wurde mittlerweile „gelockert“! Inzwischen dürfen sie sich in ganz Deutschland aufhalten.
  • Eine weitere Erleichterung: Es war den Asylbewerbern bisher untersagt, während der ersten 9 Monate zu arbeiten! Mittlerweile gestattet man dies ab dem dritten Monat. Die Asylbewerber müssen sich ein Formular vom zukünftigen Arbeitgeber ausfüllen lassen. Der Antrag wird dann bei der Ausländerbehörde in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter geprüft (ggf. könnte ein deutscher Arbeitsloser vorgesehen werden). Also höchst kompliziert. Der Verdienst wird angerechnet und die Asylbewerber erhalten weniger „Asylgeld“, wie bei Hartz-IV-Empfängern.
  • Wenn unsere Asylbewerber hier bleiben dürfen, dann verlieren sie den Asylstatus und müssen die Asylunterkünfte verlassen- vorübergehend werden sie geduldet und man müsste ihnen bei der Wohnungssuche behilflich sein. Die Folgen sind dann Antrag auf Wohngeld, Antrag auf Hartz IV, wenn sie keinen Job finden. Aber alle Asylbewerber wollen arbeiten!

Bis zum Jahresende werden wir ca. 600 Asylbewerber im Landkreis Starnberg haben. Der Landkreis bekommt sämtliche Kosten von der Bundesregierung erstattet. Ich habe oft echte Probleme mit der selbst auferlegten Bürokratie, die uns Asylhelfern den letzten Nerv raubt.
An dieser Stelle geht ein dickes Danke an alle hilfsbereiten Wörthseer und den Asylhelferkreis! Unsere Asylbewerber werden mit Kleiderspenden etc. versorgt. Ich versuche das so gut wie möglich zu koordinieren – hier auch noch meine Kontakt-Adresse:

Elli Unverdross – Telefon 08143-6157 oder Mobil 0171-3351140
[email protected] oder via Facebook „Welcome to Wörthsee“
Ich beantworte alle Fragen und nehme Spenden jeglicher Art nach Rücksprache an!

Geld-Spenden für Arzneimittel, ggf. Anwaltskosten für die Asylverfahren etc. (und auch für kleine Weihnachtsgeschenke!) sind willkommen und ich bedanke mich im Namen der Asylbewerber:

Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg, Kennwort: “Hilfe für Asylbewerber”,
Kontoinhaber: Gemeinde Wörthsee
IBAN DE82 7025 0150 0430 8930 40, BIC BYLADEM1KMS
oder
VR-Bank Wörthsee, Kennwort: “Hilfe für Asylbewerber”,
IBAN DE15 7009 3200 0006 7002 50, BIC GENODEF1STH

Unseren Asylbewerbern wünsche ich von ganzem Herzen, dass sie hier in Wörthsee bleiben dürfen!
Das Lieblingslied der Kinder von Elizabeth ist übrigens: „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer! „Atemlos“ warten sie auf den Bescheid des Bundesamtes.
… mein einziger Weihnachtswunsch an das Christkind!

Elli Unverdross

4 Kommentare
  1. Adi Sommer
    Adi Sommer sagte:

    d a n k e liebe Elli, für diese dringend nötige Aufklärarbeit. Ich hoffe, a l l e Bürger haben die Möglichkeit, das zu lesen. Es wäre nützlich, wenn auch andere Gruppierungen und die Gemeinde auf ihrer homepage Deinen Text übernähmen, je mehr, desto besser. Hier darf es keine Parteien mehr geben, sondern nur noch ein gemeinsames “welcome in Wörthsee” durch a l l e Bürger.
    LG Adi

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