Seit 1. September 2014 fahre ich jeden Morgen auf die AB-Anschlussstelle Wörthsee der A96. Bis zum Schuljahresbeginn lief der Verkehr dort reibungslos, doch mit dem Ende der Urlaubszeit änderte sich das schlagartig: Stau, egal ob um 8 Uhr, 7:30 Uhr oder um 7 Uhr. Zwischen Wörthsee und Oberpfaffenhofen ist außer freitags ab 6:45 Uhr immer Stau.
Gelegentlich umgehe ich den Stau, indem ich statt auf die Autobahn auf die Grünsinker Straße fahre und an deren Ende links auf die Weßlinger Hauptstraße abbiege und erst bei Oberpfaffenhofen auf die Autobahn auffahre. Mir ist klar, dass ich damit Euch leidgeplagten Weßlingern keine Freude bereite, aber immerhin bin ich dort immer zügig vorangekommen. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand, der aus Herrsching kommt, einen Umweg in Kauf nimmt, um dann zwischen Wörthsee und Oberpfaffenhofen im Stau zu stehen.
Und wer stellt sich abends von München kommend, v.a. nach dem geplanten dreispurigen Ausbau der A96 bis Oberpfaffenhofen, in den schon jetzt häufig auftretenden Stau, um ab Anschlussstelle Wörthsee über die Umgehungsstraße nach Herrsching zu fahren?
Liebe Weßlinger: Ihr plant eine Straße, die nicht genutzt werden wird! Eine Umgehungsstraße wird von den Autofahrern nur angenommen, wenn sie auf ihr schneller ans Ziel gelangen. Ihr habt Euch mit knapp 53% vor zwei Jahren entschieden, Wälder abzuholzen, einen Erholungsraum zuzubetonieren, ohne sicher zu sein, dass davon ein Nutzen für Euch ausgehen wird!?
80–90% des Wörthseer Trinkwassers liegen unter dieser Straße, dazwischen ein äußerst durchlässiger Boden, der Motorenöl, das bei einem Unfall auf der geplanten Schnellstraße ausläuft, sofort ins Trinkwasser weiterleitet.
Euer Bürgermeister hat die Trasse bereits abgesteckt:
Am hinteren Ende führt sie auf das Grundstück, das Michael Muther Wörthsee abkaufen wollte und nach unserer Weigerung nun enteignen ließ:
Wir verstehen, dass Ihr eine Entlastung Eurer Hauptstraße haben wollt – aber was nützt es, wenn Ihr eine Straße für Millionen Euro baut, die nur die Landschaft versiegelt und nicht benutzt wird?
Wenn die Umgehungsstraße nun wie geplant “auf Biegen und Brechen” durchgesetzt wird, hat das diese Folgen:
- Die Natur ist unwiederbringlich zerstört, ein Rückbau ist nicht möglich.
- Bei jeder neuen Schnellstraße, die durch ehemalige Wälder führt, passieren anfangs viele Wildunfälle. Das Leben von Autofahrern und Tieren ist gefährdet.
- Durch erhöhte Unfallgefahr ist das Wörthseer Trinkwasser in Gefahr. Auslaufendes Öl verunreinigt das Wasser.
-
Wörthseer, die die S-Bahn ab Weßling nutzen, werden in Zukunft wegen des Rückbaus der Grünsinkerstraße über die Umgehung und die Hauptstraße nach Weßling zur S-Bahn fahren.
- Weßling ist über viele Jahre hinaus hoch verschuldet, für wichtige Projekte wird kein Geld mehr vorhanden sein.
- Das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen Weßling und Wörthsee wird für längere Zeit gestört sein.
Die Wurzel allen Übels liegt doch in unserem veralteten und unzuverlässigen teuren S-Bahnsystem!
Anlässlich der Olympiade 1972 wurde das S-Bahnnetz ausgebaut – und außer der Umbenennung von S5 zu S8 hat sich nicht mehr viel getan auf unserer Linie.
In puncto Einwohnerzahlen unserer Gemeinden hat sich aber Gewaltiges getan: Herrsching hatte 1972 6473 Einwohner, 2013 waren es 10714, in Seefeld lebten damals 3897 Einwohner, 2013 zählte es 7149. Wörthsee hatte vor gut 40 Jahren 2448 Einwohner, nun sind es doppelt so viele.
Stimmt, es ist ja doch etwas geplant zur Verbesserung des S-Bahn-Angebots: Ausgerechnet Ihr Weßlinger sollt die Haltestelle der Express-S-Bahn bekommen. Da werden vermutlich viele Herrschinger, Seefelder, Weilheimer, Wörthseer usw. gerne Euren Ort zuparken, um schnell nach München zu kommen. Das tun ja sowieso jetzt schon sehr viele, da Ihr einen durchgehenden 20-Minuten-Takt habt und man wesentlich weniger zahlen muss, wenn man in Weßling in die S-Bahn steigt. Es fahren aus diesem Grund zugegebenermaßen auch viele Wörthseer zu Euch, um dort das Auto stehen zu lassen.
Der öffentliche Nahverkehr muss dringend attraktiver werden – wollen wir uns nicht gemeinsam dafür einsetzen?
Die Problem der Entlastung Eurer Hauptstraße muss an der richtigen Stelle angepackt werden.
Sinnlos die Natur zu zerstören, ist der falsche Weg …
Beate Schnorfeil
Ich kann den Aussagen beipflichten. Mir fielen sogar noch weitere Nachteile ein.
53% Zustimmung lässt allerdings ahnen, dass sich Weßling die Entscheidung nicht leicht gemacht hat, dass die allermeisten das schöne Waldgebiet kennen und ihnen auch bewusst ist, dass es zu keiner Verkehrsberuhigung (im Sinne von Ruhe) kommen wird. Dass dann doch eine Mehrheit dafür gestimmt hat, zeigt wie hoch Leidensdruck und über die Jahre
angestaute Wut ist, was den Zugang für rationale Argumente offensichtlich blockiert.
Ich befürchte, dass sich die Ursachen schwerlich auf Gemeindeebene lösen lassen.
Verkehrspolitiker sehen sich verpflichtet den Straßenbau an steigende Zulassungszahlen anzupassen (was speziell bei unserer automobilabhängigen Wirtschaft für manche gleichbedeutend mit Wachstum ist). Ich kann nicht erkennen, dass ernsthaft versucht wird die gefahrenen Kilometer auf den Straßen zu reduzieren. Ein gutes Beispiel scheint mir der aktuelle Vorstoß eine nicht kostenverursachergerechte KFZ-Steuer teilweise durch eine Flatrate-Maut ersetzen zu wollen. Die E-Mobilität ist ein Versuch einen grünen Mantel über eine aus meiner Sicht verfehlte Verkehrspolitik zu legen. An der Anzahl der benötigten Straßenkilometer wird das überhaupt nichts ändern, eher im Gegenteil. Die Anschaffungskosten sind sehr hoch, Batterien altern auch bei seltenem Gebrauch, die Verbrauchskosten sind dagegen sehr niedrig.
Viele Autofahrer, die nicht den gesamten Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen können, kann ich gut verstehen wenn sie nicht nur bis zum nächsten S-Bahnhof fahren wollen. Auch dafür braucht es ein Auto mit hohen Fixkosten (und Mautplakete ;-)). Für einen häufigeren Umstieg müsste das Angebot überzeugender sein.
Das größte Argument für den MVV ist leider, dass es auf den Straßen oft noch zäher vorwärts geht. Ich habe jahrzentelange Erfahrung mit dem MVV auf
Schul- und Arbeitswegen. Es braucht gar keinen Streik, auch eine der alles andere als
seltenen Stellwerks- oder Oberleitungsstörung genügen um entweder
stundenlang auf überfüllten Schienenersatzverkehr warten zu müssen oder
zähneknirschend ins Taxi zu steigen. Auch die normalen Verspätungen sind ein beinahe tägliches Ärgernis, insbesondere wenn beim Umsteigen eine 5-minütige Verspätungen auf der einen Linie auf den 40 Minuten-Takt der Anschlussbahn im Aussenbereich trifft ohne dass dieser Fall überhaupt in eine MVV-Statistik eingeht. Auch der eingleisige Bahnhof Steinebach hält seinen Anteil an dieser Situation. Eine verspätet aus München in Weßling eintreffende S-Bahn zwingt die stadteinwärtsfahrende S-Bahn in Hechendorf zu einem überlangen Aufenthalt, was diese auf die nächste stadtauswärtsfahrende S-Bahn in Weßling weiterreicht. Dieser Patt kann derzeit nur durch den 40-Minuten Takt wieder aufgelöst werden. Daher werden nicht nur wegen des unklugen Zonentarifs mit seinen Preissprüngen auch weiterhin wie beschrieben Bürger auch aus Waldbrunn oder Etterschlag lieber nach – und in Zukunft auch quer durch – Weßling zur S-Bahn fahren.
Wo wird das ganze hinführen?
Die Staugefahr in dem kurvigen Waldstück der A96 wird weiter zunehmen. Der nächste Betonkopf steht wahrscheinlich schon in den Startlöchern um einen 6-spurigen Ausbau zu fordern. Die weiter steigenden Mieten in München und der gute Straßenausbau werden noch mehr Menschen ins immer entferntere Umland locken, die Staugefahr auf der 6-spurigen Autobahn wird zunehmen, der nächste Betonkopf …
Was kann man tun?
Bei Briefen an den MVV – und ich habe das über die Jahre mehrfach mit konkreten Vorschlägen getan – bekam ich stets einen Standardbrief zurück, worin versichert wird, dass sich der MVV stets äusserst bemüht den Anforderungen gerecht zu werden
(nicht ganz wörtlich wiedergegeben). Auch an eine Stadträtin, die sich damals für den MVV verantwortlich gezeigt hat, hatte ich mich gewandt. Sie wollte meine Vorschläge genau prüfen. Gehört habe ich nie wieder etwas von ihr. Vom Bundesverkehrsministerium habe ich dagegen überhaupt keine Reaktion erhalten, weder auf Vorschläge noch auf Fragen.
Ich finde den Appell gut – auch wenn mich meine ausschweifende Vorrede möglicherweise desillusioniert erscheinen lässt. Auch vom Gemeinderat erhoffe ich mir, dass im rechtlichen Rahmen Stellung dagegen bezogen wird. Letztendlich sehe ich es aber auch als Appell sich selber zu hinterfragen. Auch in Wörthsee nimmt der Autoverkehr spürbar zu und bei uns eher als in Weßling hausgemacht.
Lieber Bernd Werner,
über den fundierten und ausführlichen Kommentar habe ich mich sehr gefreut! Ja, es gibt wirklich noch viel mehr Gründe, die gegen die Umgehungsstraße sprechen. Die Wörthseer AB-Ausfahrt, aus München kommend, gilt ja als besonders unfallträchtig, weil die Sicht nach rechts durch die Kurve sehr eingeschränkt ist. Wenn nun vermehrt Links- und Rechtsabbieger nebeneinander stehen, wird die Unfallgefahr noch deutlich ansteigen.
Der Ausbau der Autobahn, der bis Oberpfaffenhofen sechsspurig geplant ist, dann jedoch 4-spurig nach Wörthsee weiterführt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Autobahn ab Oberpfaffenhofen für die Fahrer, die aus München kommen, bzw. bis Oberpfaffenhofen für die Autofahrer, die aus Wörthsee kommen, unattraktiv sein wird.
Was können wir tun? Wie erreichen wir die Weßlinger Bürger? Mit einer Verteilaktion in jeden Briefkasten?
Wer hat eine gute Idee?